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Chronik der evangelischen Kirchengemeinde Palmbach

Jubiläum zum Kirchenbau der Evangelische Kirchengemeinde Palmbach - Stupferich


100 Jahre Waldenserkirche Palmbach 1906 - 2006

Vortrag zum Festgottesdienst von Pfarrer i. R. Bertold Augenstein,
1971 - 1982 Pfarrer in Palmbach und Stupferich, (sowie bis 1978 in Untermutschelbach), g
ehalten am Sonntag, 16. Juli 2006 in Palmbach

Dieser Text wurde uns freundlicherweise von Herrn Pfarrer i. R. Bertold Augenstein zur Verfügung gestellt.


Verehrte Festgäste, liebe Palmbacher,

als ich im vergangenen Jahr von Frau Pfarrerin Dr. Ritter angefragt wurde, ob ich bei der 100- Jahrfeier der Palmbacher Kirche im Juli 2006 eine Kirchenführung machen möchte, habe ich zugesagt.Inzwischen sind 24 Jahre vergangen, dass meine Frau, unsere Tochter Christina und ich Palmbach verlassen haben. Doch die Verbundenheit mit dem Ort und der Kirchengemeinde ist geblieben. Wenn ich heute eine Kirchenführung mit Ihnen mache, ist das eine Angelegenheit, die u. U. rasch erledigt sein könnte, denn sehr viel zu sehen, gibt es da nicht gerade. Doch vielleicht könnten es die Palmbacher selber sein, die heute ihre Kirche ein wenig anders betrachten. Es gibt ja auch sonst Dinge, an die man sich so gewöhnt hat, dass es selbstverständlich scheint, dass es sie gibt.

Doch nun zur Sache:

Wer heute in die "Täler", die ursprüngliche Heimat der Waldenser und damit auch der Palmbacher (und Untermutschelbacher) kommt und die dortigen Kirchen der Waldenser sieht, könnte meinen, dass es sie schon immer gegeben hat. Das aber ist nicht der Fall; denn die römisch-katholische Kirche sah in den Waldensern eine "Sekte", die es mit allen Mitteln zu bekämpfen galt. Daher hat Rom sie nicht nur verboten, sondern verfolgt, sodass es in den Tälern um Torre Pellice, westlich Turins, keine Gemeinde gibt, wo nicht Menschen ihres "biblischen Glaubens" wegen Nachteile hatten. Als es immer schlimmer wurde, weil die Nachstellungen an Umfang und Härte zunahmen und nicht wenige Waldenser das Leben lassen mussten, sahen sich viele gezwungen, die geliebte Heimat zu verlas­sen, doch hielten sie am Glauben fest! Das war auch das Los der waldensischen Vorfahren Palmbachs.

23 Familien waren es, die 1701 Grünwettersbach zugewiesen wurden und zwischen Grünwettersbach und Stupferich eine Siedlung / Kolonie gründeten, der sie den Namen ihres früheren Heimatortes "La Balme", zu deutsch "Zuflucht", gaben. Ihrer Sprache wegen, sie sprachen französisch, nannte man sie "die Welschen". Dies trug wesentlich dazu bei, dass sie längere Zeit unter sich blie­ben, sich isolierten, auch was ihr gottesdienstliches Leben betraf. Da sie anfangs nur das Allernötigste hatten, das, was sie aus ihrer Heimat mitgebracht hatten, war an den Bau einer Kirche zunächst nicht zu denken.

Dies änderte sich als Jaques Resplendin 1720 die Pfarrei "La Balme" übernahm. Dieser richtete 1724 die vom Dekan in Wildbad und dem Vogt zu Neuenbürg gemeinsam unterstützte Bitte an den Herzog von Württemberg um Bewilligung eines Sammelpatentes, durch welches der Waldensergemeinde "La Balme" die Erlaubnis erteilt wurde, zum Bau einer Kirche in den angrenzenden Ländern Gaben zu sammeln. Gleichzeitig hielt der Pfarrer eine Versammlung der Familienhäupter ab, in der beschlossen wurde, zwei (vom Vogt zu Neuenbürg zu verpflichtende) Gemeindeglieder zunächst in die Schweiz und dann auch in andere Länder zum Zwecke einer Kollektenreise zu senden.

Am 14. Dezember 1724 fuhren dann die beiden Collekteure: Jean Jourdan und Pierre Bounin, in die Schweiz ab. Nach ihrer Rückkehr, am 12. Februar 1725, legten sie Rechnung über den Erfolg ihrer Reise ab. Nach Abzug der ihnen gewährten Spesen/Unkosten ergab sich ein Betrag von 324 Gulden und 9 Kreuzern. Der Ertrag ihrer zweiten Reise - diesmal nach Holland - wurde leider nicht festgehalten, so dass man nichts darüber weiß. Nachdem der Kostenvoranschlag des Busenbacher Zimmermanns (ohne Namen­nennung) in Höhe von 324 Gulden und 20 Kreuzern durch den herzoglichen Kirchenrat genehmigt war - eine ganze Reihe von Leistungen wurden durch die Gemeindeglieder von La Balme freiwillig und ohne Löhnung erbracht -, begann man mit dem Bau der ersten Palmbacher Kirche, ganz in der Nähe der jetzigen Kirche. (Die Vergabe der Bauarbeiten erfolgte im Akkord).

kirche-palmbach-1725.JPGDer Grundstein der Kirche wurde am 11. Juli 1725 gelegt, die Einweihung geschah am 25. November desselben Jahres.

Welche Festlichkeiten mit der damaligen Grundsteinlegung und der nachfolgenden Einweihung verbunden waren, ließ sich leider nicht ermitteln. Doch darf angenommen werden, dass der Bau der Kirche und ihren Indienstnahme ein herausragendes Ereignis war, das die Waldensergemeinde La Balme und die anderen Schwestergemeinden mit Dank und großer Freude erfüllte. Noch heute erinnern zwei Holztafeln an dieses wunderbare Ereignis. (Sie können sich nachher die beiden Tafeln, links und rechts hinter dem Altar an der Wand des Chores in Ruhe betrachten!)

Ich zitiere den Text der ersten Tafel (französisch) ins Deutsche übersetzt: "Die Kirche ist erbaut worden durch den Beistand Gottes und unter der Huld Seiner Hoheit, dem gnädigen Herzog von Württemberg, der Niederlande und der Schweizerkantone, unter Verwaltung des Herrn E. Friedrich Binder, Amtmann von Neuenbürg ...". - "Am 11. Juli 1725 ist die Weihe der Fundamente vollzogen worden, am 25. November 1725 ist die Weihe des "Tempels" (waldensische Benennung einer Kirche) geschehen. (Danach folgen die Namen von Pfarrer Theodoric Aubert von Avenche in der Schweiz; Jean Jordan, Schultheiß, Ältester und Collekteur usw. wie auf der Tafel zu lesen.)

Auf der zweiten Holztafel stehen die "Zehn Gebote", ebenfalls in französischer Sprache. (Die Gemeinde sollte sie vor Augen haben, weil sie für den Glauben und das Zusammenleben von unaufgebbarer Bedeutung sind!)

Nach reformierter Tradition gab es ursprünglich in der Waldenserkirche keine Bilder, ebenso kein Kruzifix auf dem Altar / Tisch... (Das bunte Glasfenster über der Männerempore zeigt Waldenser bei der "glorreichen Rückkehr" eines Teils von ihnen in Sibaud). Das Fenster an der Chorwand zeigt die Gethsemane-Szene. (Dieses Fenster gab es nicht von Anfang an in der Palmbacher Kirche, sondern entstand erst in Verbindung mit dem Bombenschaden vom 04. Dezember 1944).

Auf dem Dach der Kirche befand sich ein Dachreitertürmchen mit einem Glöcklein, das zu den Gottesdiensten läutete und als Betglocke diente. Eine Orgel gab es nicht, doch sang die Gemeinde auch ohne Orgel von Her­zen zum Lobe Gottes und zur eigenen Erbauung (anfangs waldensische Lieder und später die der evangelischen Kirche).

Lassen Sie mich hier ein kleines Erlebnis einflechten, das ich in den 70er-Jahren in Palmbach hatte: Ein Mann meldete sich eines Tages im Pfarrhaus, der aus dem nordhessischen Waldenserort Todenhausen kam. Während unseres Gesprächs erzählte er mir u.a., wie in seiner Heimat Waldenser Uneingeweihten gegenüber beschrieben werden. Man sage: "Die Waldenser sind Leute, die einen scharfen Blick haben und so laut singen.“ Dazu möchte ich nur soviel sagen, dass ich mich immer gefreut habe, wenn in den Gottesdiensten kräftig gesungen wurde."

Holztafel aus 1725Viele Jahre wurde der Gottesdienst in französischer Sprach gehalten. Als um die Wende zum 19. Jahrhundert die deutsche Sprache in Schule und Kirche verbindlich wurde, wehrte sich ein Teil der Palmbacher, vor allem ältere und traditionsbewusste Waldenser mit allen Kräften gegen eine sol­che Zumutung. Entsprechend die Äußerung eines Kirchenältesten von Wurmberg - Bärental (Lucerne), der davor warnte mit den Worten: "Wie schrecklich, wenn der HERR am Jüngsten Tag zur Auferstehung ruft mit den Worten: `Levez vous´ und unsere Kinder verstehen ihn nicht mehr!" Das Aufgeben der französischen Sprache wurde von nicht wenigen als Verrat an der Waldensersache verstanden.

Um dieselbe Zeit wurden "La Balme" und eine Reihe anderer Waldenserorte, die württembergisch waren, badisch (1806). Damit verbunden verlangte die badische Regierung die Einführung der deut­schen Sprache in Schule und Kirche. (Dies erlaubt Vergleiche mit der heutigen Situation von Migranten, die verpflichtet werden, die deutsche Sprache zu erlernen!)

Anlass dazu gaben die Schul- und Kircheninspektionen. Diese stellten fest: Die Kinder werden mit dem französischen Lesen geplagt, wovon sie kaum ein Wort verstehen. Selbst ihr Lesen ist erbärmlich genug. Indessen aber lesen sie erträglich deutsch!

Das 1725 erbaute Kirchlein mit seinem Türmchen machte immer mehr Reparaturen nötig. Bereits 1808, "La Balme" war gerade badisch geworden, befand es sich in einem dermaßen traurigen Zustand, dass sein Einsturz befürchtet werden musste. Um ein Unglück zu verhüten, beschloss der damalige Kirchengemeinderat das Läuten einzustellen. Schließlich wurde das alte Türmchen durch ein neues ersetzt. Als das Glöcklein 1832 einen Sprung bekam, beschloss die Gemeinde auf ihre Kosten das bisherige Glöcklein umgießen zu lassen und eine zweite Glocke anzuschaffen. Ebenso wurde eine neue Uhr angeschafft.

Zur Anschaffung einer Orgel kam es 1821 durch folgenden Umstand: Die Orgel der Grötzinger Kirche war abgängig geworden, und der Durlacher Orgelbauer Voigt erbot sich, die Grötzinger Orgel um den Preis von 150 Gulden nach Palmbach zu überführen und dort aufzustellen. Damit verbunden war die Errichtung einer Empore. In der Folge war alle zehn Jahre eine größere Reparatur an der Orgel erforderlich. 1892 wurde in der Kirche eine Heizung eingebaut, doch alle Aufwendungen, die zur Verbesserung und Verschönerung des Innern der Kirche eingesetzt wurden, änderten nicht das unansehnliche Äußere der Kirche, von der es in der "Geschichte der badischen Landeskirche" von Vierordt hieß: "Die Palmbacher Kirche sei eine der unschönsten Kirchen im ganzen Land."

Daher war bereits 1883 der Gedanke gefasst worden, anstelle des jetzigen Kirchleins einen Neubau ins Auge zu fassen. Daraufhin wurde der Grund zu einem Kirchenbaufonds gelegt, der um die Jahrhundertwende einen Stand von 14.782, 00 Mark erreicht hatte. Da die Gemeinde aber finanziell noch zu sehr belastet war, konnte der Kirche noch nicht in Angriff genommen werden.

Die 200- Jahrfeier der Gründung des Dorfes 1901 wurde zu einem großen und stolzen Ereignis, bei welchem auch der Großherzog und seine Gemahlin anwesend waren und viele Gäste aus anderen Waldenserorten. Dem damaligen Bürgermeister Johann Wilhelm Kräutler wurde der Entwurf eines Gemeindewappens für Palmbach überreicht, ebenso die Pläne für den Bau eines neuen Rat- und Schulhauses für die stetig wachsende Einwohnerschaft des Dorfes. Auch für den Bau einer neuen Kirche versprach das großherzogliche Paar Pfarrer Gustav Meerwein seine persönliche und großzügige Förderung und Unterstützung. Zum Bau der neuen Kirche kam es dann im Jahre 1906, vor (demnächst) 100 Jahren.