Auch die Firma Edeka-Piston ist Teil der Palmbacher Orts- und Waldensergeschichte
Aus unseren Archiven und alten Unterlagen konnten wir folgenden Bericht zusammenstellen:
Die Geschichte der von La Balme über Mörfelden nach Palmbach eingewanderten Waldenserfamilien
Westlich von Turin, an der Straße von Pinerolo nach Sestriere liegt die Ortschaft Balma. In dieser Ortschaft, die damals La Balme hieß, lebten Mitte des 17. Jahrhunderts Waldenserfamilien. Balma bzw. La Balme liegt am Oberlauf des Flusses Chisone. Dieses Gebiet war von 1349 bis 1713 französisch. Die meisten Familie gehörte der im 12. Jahrhundert von dem Lyoner Bürger Waldes (auch Valdes geschrieben) ins Leben gerufenen vorreformatorischen Bewegung der Waldenser an.
Die Flucht der Waldenser
1. Juli 1698: Der Herzog von Savoyen erlässt das Edikt, dass alle Protestanten, die als französische Untertanen geboren wurden, aus Piemont ausgewiesen werden. Ca. 3.000 französische Waldenser und Hugenotten verlassen die Waldensertäler.
10. Juli 1699: Ein Teil der Waldenser wird in Südhessen aufgenommen und gründet Walldorf (bei Mörfelden). Die Waldenser lebten im ersten Jahr in einem Barackenlager, bevor ihnen Grundstücke für das Straßendorf zugewiesen wurden. Auf einer Liste sind insgesamt 450 Waldenser vermerkt, hierunter auch die Familien Piton (heute Piston) mit Frau und Söhnen, die Familien Coutandin (heute Konstandin), Granget und Revior (heute Raviol).
04. Februar 1701: Der Herzog von Württemberg fällt die Entscheidung, dass sich die Waldenser aus Walldorf in Grünwettersbach und Umgebung ansiedeln dürfen.
22. April 1701: Die Waldenser in Walldorf bekommen die Genehmigung zum Abzug. Von den Walldorfer Bewohnern bleiben 14 Familien mit 56 Personen in Walldorf. 256 Waldenser reisen nach Württemberg und Baden ab. Hiervon sollen 111 Personen aus La Balme nach Palmbach (Württemberg), 59 Personen, ebenfalls aus La Balme, nach Untermutschelbach (Württemberg) und weitere 86 Personen aus Roure und Méan nach Kleinsteinbach (Baden). Es zogen zuerst die Männer ab, die Frauen und Kinder kamen nach.
30. April 1701: Die Waldenser treffen ein. Auf zwei Wagen mit Ochsengespannen und Tragekörben auf dem Rücken transportieren sie ihr Hab und Gut. Sie werden in Grünwettersbach zuerst im bestehenden Dorf untergebracht. In Untermutschelbach bleiben sie im Dorf.
02. Juni 1701: Es ist noch nicht geklärt, ob die Waldenser im Ort Grünwettersbach oder außerhalb angesiedelt werden. Die Grünwettersbacher Einwohner wollen die Flüchtlinge nicht im Ort haben.
1701: Die Waldenser erhalten ihre eigene Gemarkung (Abtrennung von Grünwettersbach) mit 360 Morgen (= 90 ha) verwildertem Acker- und Wiesenland und einigen kleinen Waldstücken.
Februar 1702: Die Grundstücke im neuen Ort Palmbach werden für die Waldenser vermessen. Jede Familie erhält 2 Morgen (=5.000 m²) Land für den Hausbau.
Unter den Flüchtlingen die in Grünwettersbach, später in Palmbach angesiedelt wurden, war auch die Familie von Michel Piton, der um 1640 geboren wurde. Er kam zusammen mit seiner Frau Jeannete *1642 und seinen Söhnen Jacques *1662, Michel *1666 und Jean *1678 in die neue Heimat nach Grünwettersbach. Michel Piton starb am 15. Januar 1705 in Palmbach.
Sein Sohn Jacques heiratete am 09. Mai 1700 in Walldorf seine erste Frau Jeanne Roux. Diese Ehe blieb kinderlos, seine Frau starb am 14. Februar 1703 in Palmbach. Bereits am 03. Juni 1703 heiratete er Jeanne Jourdan aus einer Waldenserfamilie bei Wiernsheim. Von deren Sohn Pierre (Peter) Piston geboren am 03. Oktober 17015 stammt die heutige Familie Piston ab.
Die meisten Palmbacher Waldenserfamilien können zwischenzeitlich elf Generationen bis zur Palmbacher Ortsgründung zurückverfolgt werden. Hierunter auch die Familie Piton, heute Piston geschrieben. In alten Unterlagen in der Zeit um 1700 gab es viele verschiedene Schreibweisen der Familiennamen.
17. Oktober 1806: Bis zum Jahre 1806 waren Grünwettersbach, Palmbach und Untermutschelbach eine Enklave von Württemberg. Durch einen Tauschvertrag kommen sie zu Baden.
1807 Palmbach hat 261 Einwohner. Jakob Piston *08.10.1796 (ein Enkel von Pierre Piston) war von 1830 - 1838 Bürgermeister in Palmbach. Auch Willi Piston stammte von diesem Familienzweig ab.
Auf der Urkunde der Kircheneinweihung am 22.04.1906 sind zu finden: Christoph Bertsch als Gemeinderat und Johann Ludwig Piston als Kirchenältester. Dieser Christoph Bertsch geboren am 19.06.1840 in Palmbach war der Vater von Christian Bertsch, der um 1924 ein Kolonialwarengeschäft in Palmbach gegründet hat.
Christian Bertsch gründet seinen Lebensmittelhandel
Den Familiennamen Bertsch gab es im 18. Jahrhundert hauptsächlich im Raum Bretten, um ca. 1750 kam er nach Grünwettersbach. Am 05. März 1837 heiratete August Bertsch aus Grünwettersbach eine Susanne Raviol in Palmbach. So verbreitete sich jetzt auch der Familienname Bertsch in Palmbach.
Dessen Enkel Christian Heinrich Bertsch wurde am 19. November 1869 in Palmbach geboren. Seine Mutter Christina, geb. Granget starb wenige Tage nach seiner Geburt. Er hatte noch einen Bruder aus dieser sowie fünf Geschwister aus zweiter Ehe seines Vaters. Christian Bertsch betrieb, so wie in Palmbach zu dieser Zeit üblich, auf dem elterlichen Anwesen eine Landwirtschaft. Im Jahre 1894 heiratete er Katharina Raviol aus Palmbach.
Christian Bertsch hatte mit seiner Frau Katharina drei Kinder. Katharina *1893, Karl *1896 und Wilhelm *1897. Das jüngste Kind verstarb kurz nach seiner Geburt. Am 21. September 1917 wurde er im Alter von 48 Jahren vom Militärdienst einberufen und musste in den Krieg ziehen. Der Erste Weltkrieg begann im Jahre 1914 und endet im November 2018. Christian Bertsch inserierte am 12. September 1917 und am 12. Januar 1918 im Durlacher Wochenblatt, um sein Pferd und seine Rinder zu verkaufen. Am 29. April 1918 kehrte er wieder vom Krieg heim.
Im Karlsruher Adressbuch wurden damals im Kapitel "Geschäfts-Adressbuch von Mittelbaden" jährlich alle handelsgerichtlich eingetragenen Firmen im Amtsbezirk aufgeführt. In den Jahre 1922 und 1923/24 gibt es in Palmbach nur drei gewerbliche Eintragungen. Im Adressbuch des Jahres 1925 erscheint erstmals der Eintrag "Christian Bertsch, Spezereihandlung" mit neun anderen Firmen. Die gleichen Einträge erschienen auch im Jahre 1926. Spezereiwaren war damals ein bereits veralteter Ausdruck für Lebensmittel.
Im Adressbuch der Gemeinde Palmbach ist im Jahre 1926 im Kapitel "Handel- und Gewerbetreibende" zu finden: "Christian Bertsch, Kolonialwaren, Hauptstr. 74". Außerdem wird er dort als "Gemeindeverordnerter" aufgelistet. In der Hauptstraße 74 sind laut Adressbuch wohnhaft: Christian Bertsch, Landwirt und Albert Konstandin, Maurer (sein Schwiegersohn). Kolonialwarengeschäfte boten zur damaligen Zeit neben Grundnahrungsmittel, auch Seife, Waschmittel, Petroleum und anderen Haushaltsbedarf an. Was Christian Bertsch alles verkaufte, konnte bisher noch nicht erforscht werden. In Palmbach gab es damals auch noch den Kolonialladen mit Bäckerei von Michael Kraft in der Nebenstraße 48. Diese war im Gebäude der ehemaligen Palmbacher Schule. Im Jahre 1925 leben 392 Einwohner im Ort. Auch eine "Landwirtschaftliche Ein- und Verkaufsgenossenschaft" ist im Einwohnerbuch aus dem Jahre 1926 zu finden, deren Vorsitzender der Landwirt Johann Raviol war.
Aufgrund der Eintragungen in den Adressbüchern kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass Christian Bertsch sein Lebensmittelgeschäft im Jahr 1924 gegründet hat.
Christian Bertsch, der Firmengründer, ist der Urgroßvater (mütterlicherseits) des heutigen Edeka-Markt Inhabers Helmut Piston. Seine Tochter Katharina (*13.11.1893), die in die Mutschelbacher Waldenserfamilie Konstandin einheiratete, führte das Kolonialwarengeschäft weiter. Sie war bei der Firmengründung bereits 31 Jahre alt. Das Ehepaar Albert Konstandin und Katharina hatte mit Elsa eine gemeinsame Tochter, die später das Lebensmittelgeschäft weiterführte. Der Lebensmittelladen blieb so über alle Generationen in Familienbesitz.
Durch die Hochzeit von Elsa Konstandin und Willi Piston im Jahre 1947 schloss sich der Kreis der Palmbacher und Untermutschelbacher Waldenserfamilien. Das kleine Ladengeschäft im Elternhaus wurde im Jahre 19 … eröffnet. Im Dezember 1949 ging das genannt "Milchlädle", in der Hauptstraße 9 (frühere Hausnummer 74 im gleichen Haus) dann an Elsa Piston geb. Konstandin (der Enkelin von Christian Bertsch) und ihrem Ehemann Willi Piston über.
Das Textil - Versandhaus Willi Piston
Ab dem Jahre 1951 begann Willi Piston zusätzlich einen Textilen-Versandhandel. Er war als Reisender in der Region bis nach ............................ unterwegs, um die Textilien anzubieten. Diese wurden dann per Post verschickt. Als Verkaufshilfe wurden kleine Kleiderkataloge gedruckt, für die sich auch junge Palmbacher Frauen als Modell zur Verfügung stellten. Der Textilen-Versandhandel wurde von Willi Piston, der ursprünglich Maschinenschlosser gelernt hatte, bis ins Jahre 19..... betrieben. (= Text wird demnächst ergänzt)
Die Piston GmbH entsteht
Im Jahre 1976 gründete Helmut Piston, der Urenkel des Firmengründers, zusammen mit seiner Mutter Elsa die "Piston GmbH". Neue SPAR-Läden wurden 1979 in Stupferich und 1981 in Grünwettersbach eröffnet. In den Jahre 1987 folgt Ettlingen, der später an seinen heutigen Standort umzog. Im Jahre 1991 wurde dann Langensteinbach eröffnet, dieser Markt zog 2009 an seinen heutigen Standort.
Bis zum Jahr 1997 befand sich an der ursprünglichen Adresse, an der Talstraße 9, der kleine SPAR - Laden. Dieser zog dann in den Neubau am Palmbacher Ortrand. Im Jahre 2005 wurde der SPAR-Konzern von Edeka übernommen. So wurde auch in Palmbach aus dem EUROSPAR ein Edeka-Markt. Dieser wurde von 2004 bis 2018 von der Familie Michael Speck betrieben. Im Dezember 2018 übernahm wieder die Familie Piston den Markt in der Talstraße 67. Nach einer Generalsanierung wurde der Markt am 31.01.2019 neu eröffnet. Die Familie Speck eröffnete im Frühjahr 2019 eine "Bio-Metzgerei Speck" in Grünwettersbach, im Gebäude der ehemaligen Metzgerei Heck & Erb.
Im Jahre 2022 wurde im Palmbacher Gewerbegebiet Winterrot, in der Rudolf-Link-Straße, das „Pistons Centro“ eröffnet. Dort sind neben der Firmenzentrale auch eine Lebensmittelproduktion (Metzgerei) sowie Event- und Schulungsräume untergebracht.
Heute betreibt die Firma Piston GmbH & Co. KG sechs Lebensmittelmärkte an den Standorten Ettlingen, Langensteinbach, Ittersbach, Berghausen, Söllingen (Hammerwerk) und Palmbach sowie zwei Getränkemärkte in Karlsbad-Langensteinbach und Pfinztal-Söllingen (Salzwiese). Zu den Geschäftsführern gehören heute mit Christin Piston und Silvio Brecht bereits zwei Ururenkel des Firmengründers Christian Bertsch.
Durch die Firma Piston bleibt Waldensername Piston in Palmbach und Umgebung präsent. Heute hat Edeka-Piston über 200 Beschäftigte und die gesamte Unternehmensgruppe fast 500 Mitarbeiter.
Familiennamen-Verteilung bei www.ancestry.de: "Der Name Piston kommt insgesamt 51 Mal in 11 Landkreisen vor. Es gibt schätzungsweise 136 Personen mit diesem Nachnamen. Dies liegt unter dem Durchschnitt für alle deutschen Familiennamen. Ungenügend statistische Daten für diesen Namen. Die Ergebnisse sind u. U. nicht von Nutzen. Er liegt damit an 65596. Stelle der häufigsten Namen. Die meisten Personen mit dem Familiennamen Piston wurden in Main-Kinzig-Kreis gefunden; der Name kam 16 Mal im Telefonbuch vor."
Ausschnitt aus einer Palmbacher Ansichtskarte um 1950.
Werbeanzeige "Willi Piston - Lebensmittel" im Festbuch "250 Jahre Waldenserort Palmbach" im Jahre 1951
Für die Erstellung des Modekataloges stellten sich meist junge Palmbacher Frauen zur Verfügung. Nr. 11 und Nr. 12 (?) ist Helma Löffler, Nr. 13 ist Sonja Münch.
Eine Preisliste aus dem Jahre 1956. Auch damals hatte eine gute Qualität ihren Preis.
Werbung der Firma Edeka-Piston zur Wiedereröffnung des Marktes in Palmbach am 31.01.2019.
Auszug aus dem Palmbacher Ehrenbuch zum Ersten Weltkrieg
Auszug aus dem Stammbaum der Familie Piston.